Im Gespräch mit Anna Eichenbach
Was hat dich angesprochen am Thema "Pest"? Warum hast du an der Ausschreibung teilgenommen?
Die Pest – oder der Schwarze Tod, wenn man sie so bezeichnen will – ist ein Begriff, mit dem wohl jeder etwas anfangen kann. Sogar dann, wenn man sich nicht sonderlich für Geschichte interessiert. Als angehende Historikerin weiß ich, dass die Vorstellungen, die wir uns von manchen Phänomenen der Vergangenheit machen, nicht zwingend mit den historisch verbürgten Fakten übereinstimmen. Mich hat es gereizt, tiefer in das Thema einzutauchen und zu sehen, ob das, was ich über die Pest zu wissen glaube, nicht doch eher ein populärer Mythos ist.
Ein Aspekt, den ich bei der Recherche besonders spannend fand, war die Frage danach, wie sich die Pest auf das Leben und Erleben der Menschen ausgewirkt hat. Was macht es mit ihnen, wenn sie den Tod allgegenwärtig vor Augen haben? Wie lebt man sein Leben weiter, wenn man ständig Angst haben muss, von heute auf morgen zu erkranken – mit geringen Chancen auf Heilung?
Dass ich an der Ausschreibung teilgenommen habe, hatte aber auch noch andere Gründe. Da ist zum einen Regine, die Herausgeberin, die ich bislang zwar nur online, aber dennoch als sehr sympathische und engagierte Kollegin kennenlernen durfte. Zum anderen sind es die positiven Erfahrungen, die ich bereits mit dem Burgenwelt Verlag gemacht habe. Ein Schwur aus Rauch und Asche ist nicht die erste Kurzgeschichte, die ich in einer Anthologie des Verlags veröffentlichen durfte. Ich weiß, dass meine Erzählungen hier ein tolles Zuhause finden.
Was meinst du, wie hättest du zu Zeiten der Pest überlebt?
Wenn ich sage, dass Überleben in der Pestzeit reine Glückssache war, klingt das wohl ziemlich pessimistisch, oder? Die Menschen damals haben vor allem versucht, Halt und Schutz in ihrem Glauben zu suchen. Ihre Hinwendung zur Frömmigkeit ist zum Teil aber auch in religiösen Fanatismus umgeschlagen. Auf Rettung von oben hätte ich wohl nicht vertraut.
Vielleicht hätte ich tatsächlich einfach Glück gehabt. Wenn ich – genau wie heute – in einer ländlichen Gegend gelebt hätte, fernab von dicht besiedelten Städten und Handelswegen, wäre das Risiko, mich anzustecken, deutlich geringer gewesen. Wenn mich der Pesthauch doch erwischt hätte, hätte ich hoffentlich einen Geistlichen in der Nähe gehabt, der sich um mich hätte kümmern können. Ob ich so überlebt hätte? Ehrlich gesagt bezweifle ich das.
Was magst du lieber: Schöne klassische Happy-End-Geschichten oder Sad/Dark/Awfull Endings?
Das kann ich gar nicht so genau sagen. Ich finde, das Ende muss zur Geschichte passen – und manche können eben nicht glücklich ausgehen. Autoren sind ja durchaus sadistisch veranlagt. Ich mag es, meinen Figuren Hindernisse in den Weg zu stellen und den Leser dazu zu bringen, bis zum Ende mit ihnen mitzuleiden. Dabei kann ich auch ganz schön gemein werden. Manchmal packt mich dann allerdings doch das Mitleid und ich versuche, die Geschicke der Charaktere zu einem guten oder zumindest versöhnlichen Ende zu lenken. Wenn der Leser den letzten Satz einer Erzählung liest und sich dann entsetzt fragt, ob das wirklich schon das Ende ist – dann habe ich, glaube ich, einiges richtig gemacht.
Gab es je irgendeine Protagonistin in einer deiner Geschichten, die dir selbst sehr ähnlich ist, oder versuchst du das eher zu vermeiden?
Als ich mit dem Schreiben begonnen habe, war mir die Protagonistin meines Herzensprojekts sehr ähnlich. Ehrlich gesagt war es tatsächlich eher so, als ob ich die Geschichte durchleben würde und nicht sie. Mittlerweile wahre ich ganz bewusst eine größere Distanz zu meinen Figuren. Auch wenn das seltsam klingen mag: Ich betrachte sie als eigenständige Persönlichkeiten mit einem eigenen Willen und eigenen Zielen, die sich im Verlauf der Geschichte manchmal von dem weg entwickeln, was ich mir ursprünglich vorgestellt habe.
Jede Erzählung dreht sich letzten Endes um die großen Themen, die jeden Menschen beschäftigen: Sei es die Liebe in all ihren Formen, Hass oder auch der Umgang mit Tod und Verlust, der ja grade in der Pestzeit eine zentrale Erfahrung war. Menschen ähneln sich in diesen Dingen. Da bleibt es nicht aus, dass in all meinen Charakteren auch ein klitzekleines Bisschen von mir steckt – in den einen mehr, in den anderen weniger. Mir ist es wichtig, dass sie sie sich von dem Zeitpunkt an, an dem ich ihnen Leben einhauche, weiterentwickeln. So lösen sich die Wesenszüge, in denen sie mir vielleicht doch ähnlich sind, in der individuellen Persönlichkeit der Figur auf, sodass man irgendwann nicht mehr benennen kann, was davon tatsächlich ich sein könnte.
Letzte Frage: Wenn du ins Mittelalter reisen könntest: Auf welchen Ort und welche Zeit würdest du die Zeitmaschine einstellen? Und warum?
Das Mittelalter ist die Epoche der Geschichte, die auf mich die größte Faszination ausübt. In dieser Zeit finden so viele Umbrüche und Entwicklungen statt, die ich zum Teil gern miterlebt hätte. Wenn ich in der Zeit zurückreisen könnte, würde ich mir gern ein Ritterturnier mit Tjost und allem drum und dran ansehen. Vielleicht schwingt in meinem Wunsch ganz viel von dem romantisch-verklärten Ritterideal mit, das auch in der Hofliteratur verbreitet wurde.
Diese Vorstellung würde mich genauso reizen wie eine Reise ins Dänemark der Wikingerzeit. Während der Arbeit an meinem Debütroman „Wellensang“, der im Herbst im Burgenwelt Verlag erscheinen wird, bin ich tief in die nordische Kultur und ihre Sagen eingetaucht. Die Nordmänner, ihre Geschichte und ihre Lebensweise sind – jenseits der verbreiteten Wikinger-Mythen – ein wirklich spannendes Thema. Also, einmal auf einem ihrer stolzen Schiffe zu fahren, wäre sicher ein Abenteuer.