Im Gespräch mit Nicole Grom

Nicole Grom (Fotograf: Craig Benner)

Warum hast du an der Ausschreibung für „Jahrmarkt der Mysterien“ teilgenommen? Was hat dich an dem Thema angesprochen?

Zunächst einmal fand ich die Mischung aus „history“ und „mystery“ sehr spannend. Historie und Horror bilden ein gutes Gespann, da uns gerade die Welt des Mittelalters in vielen Dingen so fremd erscheint, dass das historisch Unbegreifliche in Gestalt übernatürlicher Schrecknisse hervorragend be- und verarbeitet werden kann. Außerdem hat mich die vielgestaltige, geheimnisvoll-abgründige Welt von Jahrmarkt und Zirkus schon immer fasziniert. Akrobatin war einer meiner beharrlichsten Berufswünsche, und während der Gymnasialzeit wollte ich oft einfach mit einer Schaustellertruppe durchbrennen.  

Du hast deine Geschichte mit ein paar knackigen Versen gespickt. Ist Poesie für dich als Autorin auch eine Option? Schreibst du häufiger Gedichte?

Ich glaube, meine Geschichte „Einladung zum Tod“ würde ohne diese Verse gar nicht recht funktionieren. Denn mittelalterlicher Jahrmarkt bedeutet für mich auch fahrende Sänger, Musik und Ballade. In meiner Story laden die Verse die Menschen dazu ein, sich auf dem Festplatz – der zugleich der Richtplatz ist – einzufinden und sich dort ihren unliebsamsten, wenngleich verdrängten Erinnerungen zu stellen.
Poesie ist für mich auf jeden Fall eine Option, auch wenn ich nun erstmals Verse in einen Prosatext eingebaut habe. Tatsächlich schreibe ich immer wieder einmal Gedichte – Humoristisches und Haiku – allerdings eher für den berühmten Hausgebrauch. Die Komprimierung von Stimmungen und Gefühlslagen in knappen, treffenden Bildern lässt sich aber auch gut auf Prosa übertragen. Oft erwische ich mich dichtenderweise beim Schreiben von Geschichten und denke mir: „Oh, jetzt hast du wieder gedacht wie eine Lyrikerin.“

Wie gehst du vor beim Schreiben? Planst du explizit voraus oder reicht ein Ideenfunke und dann wird einfach losgeschrieben?

Ganz klar: Ich bin ein Losschreiber. Auf Englisch nennt man das sehr hübsch „discovery writer“ oder „pantser“. Ich finde es unsagbar öde, Schreibpläne abzuarbeiten. (Ja, ich habe das schon versucht!) Lediglich Notizen gönne ich mir, um Geistesblitze und Ideenfragmente ins Stoffliche zu holen und auf Papier festzupinnen. Oft reicht mir ein winziger Ideenfunke, um Plot und Charaktere zu entfachen. Manchmal muss ich einfach kurz die Augen schließen, und die Elemente einer neuen Geschichte begeben sich auf ihren Platz, als wüssten sie ganz sicher, wo sie hingehören. Auf der anderen Seite gibt es oft auch Einzelbilder, die ohne Verbindung zu anderen Bildern immer wieder in mir auftauchen wie Solitäre. Wenn sie sehr penetrant werden, weiß ich, dass sie in einer Geschichte erforscht werden wollen. Es ist immer spannend, was dann zutage tritt – eben ein Abenteuer. Und noch besser: Es steckt wirklich immer eine Geschichte hinter diesem Einzelbild, auch wenn es anfangs nicht so scheinen mochte. All dies schließt natürlich nicht aus, dass ich historische Fakten gründlich recherchiere. Oft regt mich übrigens die Lektüre eines Sachbuchs zum Schreiben an. Bei „Einladung zum Tod“ war es „Bettler und Gaukler, Dirnen und Henker. Außenseiter in einer mittelalterlichen Stadt“ von Irsigler/Lassotta.

Wie gut kannst du mit Kritik an deinen Texten umgehen?

Es kommt ganz darauf an, wie gut sie begründet ist. Ein Statement à la „War nicht mein Ding. Punkt.“ ist nicht geeignet, mir den Leser als ernsthaften Kritiker zu empfehlen. Werden aber gut belegte Gründe dafür angeführt, dass mein Buch nicht gefiel, kann ich als Autorin daraus lernen. In letzterem Fall empfinde ich Kritik als konstruktiv, in ersterem Fall als dumm und willkürlich. Vielleicht nimmt man als Autor Kritik im Laufe der Zeit aber ohnehin nicht mehr so schwer. Dem einen gefällt dein Werk eben, dem anderen nicht.
Ich kann mich noch gut an das Lektorat meines allerersten Buches erinnern. Mir traten die Tränen in die Augen, als ich mein Manuskript zurückbekam. Da war ja fast ein Drittel weggestrichen, sogar einige meiner absoluten Lieblingsstellen! Tragödie! In diesem Moment fühlte ich mich in meine Kindheit zurückkatapultiert, als meine Mutter mich zu einem angeblich modischen Kurzhaarschnitt beschwatzt hatte und meine herrlichen langen Haare beim Friseur zu Boden sanken. Übrigens habe ich die Streichungen der Lektorin nahezu vollständig übernommen. Manchmal ist so ein Kurzhaarschnitt eben gar nicht so übel.    

Letzte Frage: Welches Buch hast du zuletzt gelesen und würdest du es weiterempfehlen?

Zuletzt habe ich „The Outsider“ von Stephen King gelesen. Leider kann ich keine Empfehlung aussprechen. Was als fingernägelverschlingender Krimi/Psychothriller begann, entwickelte sich etwa ab der Mitte zu vorhersehbarem übernatürlichem Horror, der des Großmeisters meiner Meinung nach nicht würdig ist.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

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