Im Gespräch mit … Claudia Speer (Herbst 2014)

Claudia Speer

Im Burgenwelt Verlag ist gerade dein historischer Roman Der Auftrag des Normannen erschienen. Magst du uns kurz erzählen, worum es geht, und was dich zu dieser Geschichte inspiriert hat?

Das ist eine lustige Geschichte für sich. Ich hatte gerade eure Kurzgeschichten-Ausschreibung für die Krimi-Anthologie Richter der Nacht zur Hand und mehr oder weniger laut überlegt, ob es nicht schön wäre, die eigene Region als Aufhänger zu nutzen. Da meinte mein Mann ganz salopp: „Stell dir vor Guy of Gisborne käme durch Pforzheim.“ Zunächst habe ich abgewehrt: „Der ist doch keine historische Figur und überhaupt stammt er aus einer ganz anderen uns wohl bekannten Geschichte.“ Aber die Idee ließ mich nicht los und ich habe erst einmal nur so zum Spaß die historischen Möglichkeiten recherchiert. So kam es, dass Guy in und rund um Pforzheim das uneheliche Kind des Kaisers suchen muss und natürlich geht es ihm dabei um den eigenen Vorteil.

Die Figur des Guy of Gisborne ist auf den ersten Blick nicht der typische, gutherzige Protagonist. Er ist in deiner Interpretation etwas schrullig, verschroben und miesepetrig. Ich selbst fand das beim Lesen erfrischend und durchaus sympathisch. Wie kamst du dazu, diesen historischen Charakter auf solch eher ungewöhnliche Art zu entwerfen?

Im Grunde genommen ist die Figur Guy of Gisborne, den man ja aus der englischen Robin Hood Legende kennt, ein typischer Bösewicht. Das ist jedoch eine Sichtweise, die mir zu einseitig ist. Vielschichtige Charaktere sind mir sympathischer. Er soll ein Mensch wie du und ich sein - Fehler machen, zu Ungerechtigkeiten neigen, die Arroganz und Herrlichkeit eines Ritters seiner Zeit besitzen und auf der anderen Seite nicht so gefühllos und kalt sein, wie wir ihn bisher in vielen Interpretationen kennengelernt haben. Also habe ich ihm ein Vorleben gegeben und ich hoffe, dass er auch noch eine lange Zukunft vor sich hat. Wenn es mir tatsächlich gelungen ist, eine menschliche, lebensechte Figur aus ihm zu machen, habe ich viel erreicht.

Mit der Normannen-Geschichte bewegst du dich sich sehr sicher und fundiert in der Welt des 12. Jahrhunderts. Wie aufwendig war die Recherche der historischen Details?

Zunächst hatte ich keine Ahnung, was da auf mich zukam. Zum Glück mag ich Geschichte und habe mich eine Woche in die Recherche gestürzt. Was naiv war, denn real betrachtet kann man auch ein Jahr lang recherchieren. Ich war ohne jeden Vorbehalt mit Flügeln behaftet - einfach nicht auszubremsen. Beim Recherchieren fängt man an einem Punkt an – das war für mich Richard Löwenherzs Rückkehr nach England – und findet sich in einem endlosen immer feiner gesponnenen Netzwerk wieder. Von den historischen Überlieferungen unserer Gegend gelangt man schnell zu den Details – welche Art von Hufeisen benutzt wurden, was die Menschen verschiedener Stände getragen oder gegessen haben oder den alten Namen der Wochentage. Vieles verwendete ich gar nicht direkt im Buch, doch solche Kleinigkeiten formen den Hintergrund für die Geschichte. Eigentlich hört das Recherchieren nie auf. Heute erinnere ich mich weniger an die Arbeit als an den Spaß, den ich dabei hatte.

Für die Geschichte hast du den bekannten Guy of Gisborne nun tatsächlich in den Schwarzwald, unter anderem nach Pforzheim, wo du auch lebst, verfrachtet. In ein typisches mittelalterliches Umfeld. Bist du selbst zufrieden mit dem Ergebnis?

Auf jeden Fall, ganz und gar. Wie schon erwähnt, wollte ich eine Geschichte schreiben, die genau hier und nicht in einem der damaligen Zentren der Macht spielt. Oder bei der mein Ritter durch halb Europa reisen muss, um seine Aufgabe zu erfüllen. Das kleine, einfache Leben jener Zeit hat seinen Reiz. Könige und Kaiser dürfen gern einmal die Randfiguren sein.

Ist das historische Genre eigentlich dein schriftstellerisches Zuhause oder treibst du auch in anderen Genres dein Unwesen?

Das Schreiben hat mich 2012 geradezu überwältigt. Ein starkes Wort – aber so war es. Ich kann es gar nicht anders formulieren und hätte es mir davor auch nicht träumen lassen, wie wichtig es für mein Leben werden würde. Eigentlich bin ich in einer Probierphase. Ich habe ein weiteres Buch auf den Weg gebracht, das im Science Fiktion Milieu angesiedelt ist (Iloy – Denn er ist anders). Dann gibt es noch eine ganze Reihe von Kurzgeschichten in Anthologien verschiedener Verlage. Da sind Krimis, überarbeitete Märchen oder Weihnachts- und Kindergeschichten dabei. Ich habe noch keinen Draht zu Grusel- oder Horrorgeschichten gefunden, die geraten mir bisher eindeutig zu brav. Aber wer weiß? Fast alle Stories haben ein Fantastisches Moment. Vielleicht wird das mein Genre werden.

Auf welche deiner Geschichten (veröffentlicht oder nicht) bist du besonders stolz?

Die gefürchtete Frage nach dem Lieblingskind. Ich mag meinen Zwerg Jogr am liebsten, weil er sich vor den Asen verstecken muss und von Tobi, dem Jungen aus der Nachbarschaft, adoptiert wird. Der arme Nachtalb hat es auch nicht leicht, wie die meisten von uns. Es ist nur eine Kurzgeschichte, aber in meinem Kopf steht schon viel mehr über ,den Dieb‘ geschrieben. Missen will ich keine meiner Figuren, die Guten wie die Bösen nicht.

Und zum Schluss: Dürfen wir bald noch mehr von dir lesen? Woran arbeitest du gerade?

An verschieden Büchern. Es wäre mir viel zu langweilig, das nächste halbe Jahr nur die Korrekturen für den neuen Science Fiktion Roman zu machen. Wenn es einen Dämon gibt, der mich peinigt, dann ist es dieses mühsame Geschäft. Nachdem der Roman geschrieben ist, fängt die eigentliche Arbeit erst an. Nebenher notiere ich weitere Ideen. Gerade entwickle ich die Handlung für eine Kinder-Geschichte auf einer skurrilen Welt. Über eine Fortsetzung von Guys Geschichte habe ich auch schon nachgedacht. Da würde ich mir zu gerne die Originalschauplätze der künftigen Rahmenhandlung ansehen. Das Leben ist eine Wiese voller bunter Blüten.

Herzlichen Dank, Claudia, für das kurzweilige Gespräch!
Jana Hoffhenke, November 2014
Verlagsleiterin Burgenwelt Verlag

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