Im Gespräch mit Ulrike Stutzky
Was hat dich angesprochen am Thema "Pest"? Warum hast du an der Ausschreibung teilgenommen?
Der Schwarze Tod ist mein thematischer Wiedergänger. Als ich noch an der Uni als Dozentin tätig war, habe ich bereits Seminare dazu gehalten. Auch mein erster Roman „Das Rad der Fortuna“ handelte von der Pest. Für mich ist das Thema mit dem einen Buch aber noch lange nicht auserzählt, denn es ist voller Facetten, die mich faszinieren.
Die Abgründe, die sich angesichts der Katastrophe auftaten im menschlichen Miteinander interessieren mich. Das Thema Pest steckt voller spannender Geschichten: Eltern, die ihre Kinder im Stich lassen aus Angst vor der Seuche, Liebe, Treue und Aufopferungsbereischaft über den Tod hinaus, Hoffnung und Verzweiflung. Die Liste könnte noch seitenweise fortgesetzt werden, um alle möglichen Aspekte des Themas „Pest im Mittelalter“ anzusprechen. Gleichzeitig ist es aber auch von erschreckender Zeitlosigkeit. Ganz aktuell: Die Flucht über das Mittelmeer, aber auch tausendfacher Tod durch Epidemien und Katastrophen, Hilfsbereitschaft oder mörderischer Egoismus und Schuldzuweisungen, das sind die Grundzüge menschlicher Existenz und wiederkehrende Themen in den Nachrichten unserer Tage.
An deiner Geschichte hat mich besonders beeindruckt, wie du die beklemmende Atmosphäre an Bord der Galeere beschrieben hast. Wie bist du an diese Szenen herangegangen bzw. wie hast du hierfür recherchiert?
Wenn ich die Grundidee - den Plot - für eine Geschichte gefunden habe, lese ich alles, was ich zu dem Thema in die Hände bekommen kann. Im Fall der Seemannsgeschichte von der „Pestgaleere“ war das für mich als Flachländerin ein besonders hoher Bücherhaufen, analog wie digital, denn als Kind der Großstadt habe ich bisher mit der christlichen Schifffahrt nicht allzu viel zu tun gehabt. Folgerichtig las ich Zeitungsartikel über aufgefundene Schiffswracks, durchstöberte Internetseiten von Modellbootfreunden, studierte Fachliteratur über die mittelalterliche Seefahrt und sog „Gesammelte Spukgeschichten und Seemannsgarn aus alten Zeiten“ auf. Langsam bekam ich eine Vorstellung von den Räumlichkeiten, in denen meine Geschichte spielen sollte. Damit begann bei mir das Kopfkino, das ich nur noch aufschreiben brauchte.
Woran arbeitest du gerade? Können wir vielleicht bald wieder etwas von dir lesen?
Gerade habe ich meinen zweiten historischen Mittelalterroman abgeschlossen. Noch sitze ich an der Überarbeitung. Ich hoffe jedoch, dass er bald seinen Weg zu den Lesern finden wird. Es geht - wie immer - um Liebe, Leid und Tod. Nach Pest im Spätmittelalter hat es mich aber nun in die Zeit des Investiturstreits verschlagen. Am Vorabend des Ganges nach Canossa ereignen sich im Umkreis König Heinrichs IV. rätselhafte Tode, diesmal jedoch - soviel kann schon verraten werden - ist es nicht die Pest, die ihre Opfer sucht, sondern die Todesfälle sind sozusagen von Menschenhand gemacht.
Wie sieht für dich ein perfekter Schreibtag aus?
Wenn ich die Augen schließe und mir den perfekten Schreibtag vorstelle, ist es Sommer, um genau zu sein: es sind Sommerferien. Bei aller Begeisterung für meinen Lehrerinnenberuf und bei aller Liebe für meine Familie: aber es gibt für mich nichts schöneres, als morgens - allein und in Ruhe! - mit einer zweiten Tasse Kaffee auf dem Balkon zu sitzen, den Laptop auf dem Schoß und die dösende Katze neben mir in der Sonne. Dann kann ich schreiben, ohne auf die Uhr zu achten, open End.
Letzte Frage: Wenn du ins Mittelalter reisen könntest: Auf welchen Ort und welche Zeit würdest du die Zeitmaschine einstellen? Und warum?
Eigentlich möchte ich an keinem anderen Ort und zu keiner anderen Zeit als hier und jetzt leben, ich bin nämlich erstens sehr bequem und zweitens extrem feige. Es müßte also ein warmer, mediterraner Ort sein, Italien vielleicht. Außerdem sollte es für Freigeister bzw. religiöse Außenseiter (in meinem Fall preußisch, evangelisch - für das Mittelalter mehr als exotisch) ein einigermaßen sicherer Ort sein. Da fällt mir nur das Königreich Sizilien zur Zeit des jungen Friedrich II. ein. Die Legende erzählt, er hätte seine Kindheit zwischen Normannen, Juden und Moslems in den Straßen Palermos verbracht, ein buntes Völkergemisch habe ihn erzogen, ihm fremde Sitten und Sprachen gelehrt und seine Neugier auf alles Unbekannte geweckt. Stupor mundi, das Staunen der Welt, so nannte man ihn. Um ihn ranken sich fantastische Geschichten und Legenden. Inwieweit sie stimmen, würde ich mir gerne einmal genauer ansehen.