Im Gespräch mit Sabine Frambach
Sabine, was hat dich angesprochen am Thema "Pest"? Warum hast du an der Ausschreibung teilgenommen?
Ich hätte vermutlich auch zu Themen wie Aussatz oder Geschwülste etwas geschrieben. Krankheiten und der Umgang mit Kranken sind spannende Themen. Besonders angesprochen hat mich der Hinweis im Ausschreibungstext, dass die Krankheit und ihr Verlauf korrekt dargestellt werden soll. Die Herausgeberin ist schließlich Ärztin. Bei der Pest sind sehr unterschiedliche Symptome und Verläufe möglich, bis hin zu der stillen Variante, bei der man überlebt und einige Zeit immun ist. Eine Seuche, die quer durch alle Schichten wütet und für die Menschen unerklärbar bleibt, bietet viel Raum für Geschichten. Eher zufällig hatte ich kurz zuvor das Sachbuch Die Kranken im Mittelalter von Heinrich Schipperges gelesen (ich kann es sehr empfehlen). Natürlich widmet sich auch dort ein Kapitel dem dunklen Tod, dieser geheimnisvollen Seuche, die vor kaum einer Tür Halt machte. Das Thema landete daher auf meiner Liste. Manche Ausschreibungen lösche ich irgendwann wieder, weil das Thema zwar interessant ist, aber keine Geschichte erzählt werden will. Ein Großteil meiner Geschichten beginnt mit einem Traum. Ich träume sehr intensiv und kann mich gut erinnern. In diesem Fall war es ein fröhlicher Mann, der pfeifend einen Karren mit den Toten zieht. Mit diesem Traumbild begann die Melodie des Totensammlers.
Du bist als Autorin in verschiedenen Bereichen unterwegs, meistens jedoch eher auf der dunkleren statt der helleren Seite der Erzählwelt – Horror, Vampire, dunkle Phantastik, Krimis… Täuscht das oder hast du tatsächlich eine starke Vorliebe für düstere Themen?
Das täuscht natürlich. Böse Zungen sagen mir eine morbide Neigung nach, vielleicht, weil ich gerne Horrorfilme schaue oder statt Bären Schmuseschnitter häkele. Tatsächlich habe ich vor langer Zeit im Studium eine Barbiepuppe geköpft. Aber auch eine dunkle Biene liebt Sonnenblumen. Erzählerisch bewege ich mich gerne zwischen Nacht und Tag. Ich schreibe Kurzkrimis und Horror, aber auch Märchen, Kindergeschichten und Schmunzelphantastik. Das Leben ist nicht nur schwarz. Es ist schwarz mit bunten Streifen.
Benutzt du beim Schreiben Tricks, um in die richtige Stimmung für eine Szene zu kommen? (Musik, Bilder …)
Meine Schreibkulisse besteht aus Durchsagen, telefonierenden Menschen, schreienden Kindern und Rattern. Ich schreibe grundsätzlich im Zug, da ich zur Arbeit pendele. Mir ist es wichtig, regelmäßig zu schreiben, diese alltägliche Routine funktioniert bei mir. Im Zug achte ich nicht auf meine Umgebung, blende diese aus und habe einige Male im Schreibfluss völlig versunken den Ausstieg verpasst. Gelegentlich beobachte ich auch die Menschen, wenn sie besonders lustige Dinge von sich geben. Da werden mitten im Zug Beziehungsdramen ausgefochten, Kündigungen debattiert, Verschwörungen, Wahrheiten und intime Details erzählt. Diese notiere ich. Wer weiß, wann ich mal ein wirklich gutes Schimpfwort benötige oder einen emotionalen Ausbruch.
Zum Beispiel habe ich folgenden Monolog mitgeschrieben: „Du sagst, dass du beim Geheimdienst arbeitest? Dann arbeitest du nicht bei einem Geheimdienst. Wer bei einem Geheimdienst arbeitet, darf nicht sagen, dass er bei einem Geheimdienst arbeitet. Also arbeiten die Leute, die das behaupten, nicht beim Geheimdienst. Der Rest schon.“
Liebe Mitreisende, seid gewarnt! Es könnte passieren, dass ich im Zug sitze und mitschreibe!
Für die Überarbeitung bevorzuge ich den heimischen PC und habe es am liebsten reizarm. Keine Musik, keine Bilder, kein Handy, keine Unterbrechung. Ich benötige lediglich ein „Rauschmittel“. Wie ich bereits einmal in einem Interview sagte: Das Schönste am Schreiben ist die Schokolade danach.
Die Frage nach dem Lieblingskind ist ja immer schwierig, aber welcher deiner Geschichten (veröffentlicht oder nicht) magst du selbst am liebsten und warum?
Das ist tatsächlich schwierig, weil jede Figur mir wichtig ist und es mir manchmal leid tut, wenn die Geschichte zu Ende erzählt ist und ein kleiner Abschied naht. Aber für den Moment entscheide ich mich für „Die weiße Blume“, eine Liebesgeschichte zwischen einem Schneetroll und einer Frühlingsnymphe. Ich hätte vorher nicht geglaubt, dass ich etwas Romantisches schreiben kann, doch in dieser Geschichte ist es mir geglückt.
Erschienen ist dieser Liebling im Textlustverlag, der leider mittlerweile die Pforten geschlossen hat. Die Reihe hieß Kaffeepausengeschichten. Vielleicht findet der Schneetroll mit seiner Nymphe ja irgendwann ein zweites Zuhause.
Letzte Frage: Wenn du ins Mittelalter reisen könntest: Auf welchen Ort und welche Zeit würdest du die Zeitmaschine einstellen? Und warum?
Natürlich hoffe ich, dass die Zeitmaschine meinen ökologischen Fußabdruck nicht zu stark belastet. Danach sichere ich mich mehrfach ab. Ich möchte keinesfalls im Mittelalter stranden und nicht mehr zurückkehren. Es gab kaum Zucker und keine Schokolade, keinen Kaffee, kein Internet und wenig Bücher. In der Zeitmaschine sind daher für den Notfall Fresspakete, Bücherkisten und eine zweite Zeitmaschine, Treibstoff und ein Bier. Außerdem habe ich einen Begleiter dabei, der in der Lage ist, die Zeitmaschine zu reparieren oder die Ersatzzeitmaschine anzuschmeißen. Erst dann begeben wir uns auf einer Einstein-Rosenberg-Brücke in die Vergangenheit.
Die Zeitmaschine stelle ich auf den 21.10.1401.
Ich reise nach Hamburg und erlebe mit, wie Magister Wigbold, der auf der Weser gefangen genommen wurde, in der Stadt eintrifft. Die Zeit bis zu seiner Hinrichtung nutze ich für Gespräche mit diesem Seeräuber und Likedeeler. Er war Magister der sieben Künste und wurde als Freund Störtebekers bezeichnet. Ein listiger Zwerg soll er gewesen sein, der einen Samtmantel trug und den Kampf vermied. Stattdessen handelte er die Beute aus und hielt die Verluste gering. Ich finde, dass er ein sehr interessanter Gesprächspartner wäre.
Ich bleibe bis zur Hinrichtung; angeblich wurden alle Mitgesellen vor Magister Wigbolds Augen hingerichtet, ehe er an die Reihe kam. Vielleicht passiert an diesem Tag etwas Seltsames, ehe ihn das Schwert trifft. Wer weiß.