Im Gespräch mit ... Annette Imort (Herbst 2016)

Im Burgenwelt Verlag ist gerade deine historische Trilogie „Hasgers Hunde“ erschienen. Erzähl uns doch einmal kurz, worum es im Kern der Geschichte geht.

Der „Kern“ der Geschichte ist für mich eigentlich das Verhalten einer Männergruppe, die von und mit Gewalt lebt, und die psychischen Veränderungen eines Neulings darin, wie sich ethische Grundsätze und Werte eines Menschen unter veränderten Lebensbedingungen verschieben, oft ohne dass der oder die Betroffene es immer wahrnimmt – und wie der bzw. die „Neue“ auch die anderen beeinflusst.

War das Projekt von Anfang an in diesem Umfang geplant oder hat sich die Geschichte während des Schreibens verselbständigt?

Ich hatte zu Anfang viele Einzelszenen, einen ungefähren Handlungsstrang (den ich weitestgehend auch eingehalten habe), und hatte mir die meisten Charaktere skizziert. Das hätte ich mir eigentlich sparen können, denn Hasgers Hunde haben schnell so eine Art Eigenleben entwickelt. Es fällt mir etwas schwer, das zu erklären. Wer schon einmal eine längere Geschichte geschrieben hat, weiß wahrscheinlich, was ich meine. Die Söldner sind zwar brav in all die Abenteuer geritten, in die ich sie geschickt habe, haben sich dort aber anders als von mir vorgesehen verhalten. Luthgar und Alfreth zum Beispiel, die ursprünglich als „Männer fürs Grobe“ gedacht waren, haben sehr menschliche und liebenswerte Eigenschaften entwickelt und sich irgendwann schlicht geweigert, weiter die Drecksarbeit zu machen. Und sie wollten Urlaub. Am Meer. (Den haben sie auch bekommen, damit sie nicht weiter meckern) Zu merken, dass selbsterfundene Charaktere sich so verselbständigen, ist manchmal etwas unheimlich, aber beim Schreiben auf jeden Fall sehr spannend und unterhaltsam.

Deine Protagonistin Thurudhild mag gar nicht so recht in die heute so populäre Schablone einer starken, jungen und schönen Heldin im historischen Roman passen. Wie kommt das?

Über genau dieses Klischee habe ich mich schon immer geärgert. All die Filme oder Bücher mit wohlgeformten jungen Frauen in eher dekorativen als schützenden „Rüstungen“, die nur einen einzigen Trainingspartner oder Lehrer hatten und dann selbstverständlich alle Feinde (die ganz andere Kampfstile haben) besiegen, ohne auch nur einen blauen Fleck zu bekommen – das ist als Fantasy vielleicht ganz nett, aber auch bald langweilig und nicht realistisch. Ich betreibe selbst „Reenactment Combat Fighting“ (Kampfsport mit Nachbildungen frühmittelalterlicher Waffen). Dabei versuchen wir zwar bewusst, uns nicht gegenseitig allzu weh zu tun, aber auch der beste Kämpfer muss mal eine Verletzung einstecken und weiß, dass er nicht unbesiegbar ist. Hätte Thurudhild (die ich eigentlich eher als eine Art Anti-Heldin sehe) die gängigen Eigenschaften der obengenannten „Kriegerprinzessinnen“ – jung, schön und selbstverständlich edelmütig – wäre die Geschichte erstens sehr vorhersehbar, und außerdem könnte sie dann nie ein Söldner werden. Söldner wurden dazu ausgebildet, für Geld andere Menschen zu töten. Sie waren Berufskiller und haben dadurch vielleicht auch den einen oder anderen seelischen Schaden davongetragen, und das lässt sich nicht romantisch verklären. Die meisten von uns können sich in unserer behüteten, sicheren Welt ja kaum vorstellen, wie es ist, Konflikte im eigenen Umfeld mit Gewalt zu lösen. Bei der Darstellung von Thurudhilds Kollegen sind viele Erfahrungen aus meiner Arbeit mit Straftätern, aber auch Erkenntnisse aus Gesprächen mit Scharfschützen eingeflossen. Die haben auch so ihre Probleme damit, Frauen ernstzunehmen, wenn diese zu sehr dem Weibchen-Klischee entsprechen.

Mit deiner Geschichte bewegst du dich sehr authentisch in der Zeit um die Wende vom 5. ins 6. Jahrhundert. Wie aufwendig war die Recherche der historischen Details? Und gab es besondere Herausforderungen?

Mit der Recherche hatte ich eigentlich wenig Probleme. Ich bin seit Mitte der Neunziger Jahre im Reenactment/Living Historiy aktiv, und im Bücherschrank standen zeitweise wahrscheinlich mehr Kataloge frühmittelalterlicher Ausgrabungen als Romane. Auf dieser Grundlage versuchen wir z. B. frühmittelalterliche Kleidung oder Gebrauchsgegenstände zu rekonstruieren. Die Kenntnis der Sachkultur aus dieser Zeit war also sowieso vorhanden, und wenn ich bei Einzelheiten unsicher war, haben die vielen Freunde aus der Reenactmentszene mich an ihrem Wissen teilhaben lassen. Außerdem bin ich mehrere Male nach Trier gefahren, um die römerzeitlichen Ruinen und die Artefakte im Rheinischen Landesmuseum zu besichtigen. Viele der im Buch beschriebenen Kämpfe oder Kampfübungen wurden so weit wie möglich von uns im Schwertkampftraining erprobt bzw. davon inspiriert. Besonders spannend, aber auch am schwierigsten gestalteten sich die Nachforschungen, ob es tatsächlich möglich gewesen wäre, dass eine Frau im Frühmittelalter als Krieger oder Söldner aktiv war. Dazu habe ich vor allem in Ausgrabungskatalogen nach „merkwürdigen“ Bestattungen gesucht und Archäologen und Anthropologen befragt. Gerade bei dieser Recherche war es eine große Herausforderung für mich, mit den vorliegenden Informationen sachlich und neutral umzugehen und da kein eigenes Wunschdenken hineinzuinterpretieren.

Gib uns doch zum Schluss bitte einen kleinen Einblick in deine schriftstellerische Zukunft. Wirst du weiterschreiben? Oder arbeitest du jetzt gerade bereits an einem neuen Thema?

Ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob ich noch einmal so einen langen Roman schreiben werde – an „Hasgers Hunden“ habe ich zehn Jahre geschrieben, und es gibt ja auch ein Leben außerhalb der eigenen Phantasie, das viel Zeit beansprucht. Allerdings hat sich in den letzten Monaten einer von Hasgers Hunden beschwert, dass seine Geschichte noch nicht zu Ende erzählt wäre. Er will mir aber noch nicht so recht verraten, wo genau er sich herumtreibt und was er da alles anstellt. Es kann also durchaus sein, dass es irgendwann – wie bei Douglas Adams’ „Per Anhalter durch die Galaxis“ – den „vierten Band der Trilogie“ geben wird …

Vielen Dank für das Interview!

Die Trilogie gibt es bei uns im Online-Shop:

Hasgers Hunde I - Der Weg nach Treveris

Hasgers Hunde 2 - Die Söldner von Treveris

Hasgers Hunde 3 - Die Kriegerin

Leseprobe Hasgers Hunde